Gedenkstätte Leistikowstraße

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Empfangsgebäude in der Großen Weinmeisterstraße im August 2012
Das ehemalige Gefängnis im August 2012

Die Gedenk- und Begegnungsstätte Leistikowstraße Potsdam befindet sich in der Nauener Vorstadt, in der Leistikowstraße 1, in unmittelbarer Nähe des Kaiserin-Augusta-Stift. Die Gedenkstätte ist heute ein Museum für das ehemalige KGB-Gefängnisses von Potsdam.

Geschichte

Das Haus in der Potsdamer Leistikowstraße 1 (ehemalige Mirbachstraße. 1) wurde im Jahr 1916 vom Evangelisch-Kirchlichen Hilfsverein (EKH) errichtet. Bis zum Jahr 1945 beherbergte es die Verwaltungsräume der vom EKH gegründeten „Evangelischen Frauenhilfe – Gesamtverein e.V.“, seit 1933 die Reichsfrauenhilfe, die Dienst- und Wohnräume des leitenden Pfarrers, die Wohnräume der Vikarin sowie die Redaktion der evangelischen Zeitung „Der Bote“.

Nach der Potsdamer Konferenz wurde das Pfarrhaus im August 1945 wie alle anderen in diesem Teil der Nauener Vorstadt liegenden mehr als 100 Häuser und Liegenschaften von der sowjetischen Militäradministration in Deutschland (SMAD) requiriert und zum Sperrgebiet „Militärstädtchen Nr. 7“ umgewandelt.

Die sowjetische Spionageabwehr „SMERSCH“ baute das Haus in der Leistikowstraße 1 zum zentralen Untersuchungsgefängnis um. Im Keller, im Erdgeschoss und im Ostflügel der ersten Etage entstanden 36 Haftzellen. Durchgänge und Fenster wurden bis auf schmale Öffnungsschlitze zugemauert. Massives Eisen vergitterte verbliebene Fensteröffnungen. Sichtblenden machten jegliche Kontaktaufnahmen mit der Außenwelt unmöglich.

Im Untersuchungsgefängnis waren bis Mitte der 1950er Jahre nach bisherigen Schätzungen zwischen 900 und 1.200 Menschen inhaftiert. Für die Zeit danach fehlen bisher Quellen und Anhaltspunkte über Häftlingszahlen. Unter den Insassen befanden sich Frauen, Männer und Jugendliche. Der Militärgeheimdienst hielt zunächst Deutsche und Sowjetbürger fest, von den Jahren 1954 bis 1983 ausschließlich sowjetische Militärangehörige. Nur vergleichsweise wenige Inhaftierte sind namentlich bekannt. Die Forschungsliteratur dokumentiert bisher 60 Schicksale von Deutschen und 10 Schicksale von Sowjetbürgern.

Die Untersuchungshäftlinge wurden in der Leistikowstraße erkennungsdienstlich behandelt, oft monatelang verhört, teilweise misshandelt und durch ein sowjetisches Militärtribunal zu mehrjährigen Haftstrafen oder zum Tode verurteilt. Zahlreiche Einritzungen in deutscher und russischer Sprache, die an den Zellenwänden erhalten sind, spiegeln die Isolation und psychische Belastung der Häftlinge in beklemmender Weise wider. Der sowjetische Geheimdienst überstellte die Inhaftierten nach ihrer Verurteilung entweder direkt in eines der berüchtigten Lager des Gulag, in die Sowjetunion, oder über eines der zehn in der sowjetischen Besatzungszone befindlichen Speziallager wie Torgau oder Sachsenhausen in den sowjetischen Lagerkosmos. Leider geschah es auch öfters, daß unschuldige Personen inhaftiert und verurteilt wurden.

Das Gefängnisgebäude wurde seit Mitte der 1980er Jahre als Materiallager genutzt. Nach dem Abzug der letzten russischen Truppen und Geheimdiensteinheiten im Jahr 1994, erhielt der EKH die Liegenschaft Leistikowstraße 1 zurück und machte es mit Unterstützung engagierter Bürger für die Öffentlichkeit zugänglich. Im Jahr 1997 informierte eine erste Ausstellung Besucher über die Geschichte des Ortes. Der EKH engagierte sich, unterstützt vom Förderverein für MEMORIAL St. Petersburg/MEMORIAL Deutschland e.V. und dem 2003 gegründeten Förderverein für die Errichtung einer Gedenkstätte.

Das Grundstück Leistikowstraße 1 wurde am 9. Dezember 2004 unter Denkmalschutz gestellt. Denkmalgeschützt ist nicht das Wohn- und Verwaltungsgebäude der Evangelischen Frauenhilfe, sondern das zentrale Untersuchungsgefängnis der sowjetischen militärischen Spionageabwehr mit den nahezu unveränderten authentischen Spuren der Nutzung als Haftstätte.

Im Jahr 2006 fand ein begrenzt offener Realisierungswettbewerb für die Sanierung des historischen Gefängnisgebäudes und die Errichtung eines Besucherzentrums für eine künftige Gedenk- und Begegnungsstätte Leistikowstraße Potsdam statt. Das Preisgericht empfahl einstimmig den Entwurf des Münchner Architekten Wolfgang Brune zur Realisierung, welche in den Jahren 2007 bis 2008 erfolgte. Der Bund, das Land Brandenburg, die EU, der EKH sowie die Ostdeutsche Sparkassenstiftung im Land Brandenburg stellten dafür die notwendigen Mittel bereit.

Gedenkstätte

Bis zum Jahr 2006 war im Hochparterre die Daueraustellung „Von Potsdam nach Workuta“ zu sehen. Begleitend hat die Brandenburgische Landeszentrale für politische Bildung (BLzpB) im Jahr 1999 ein gleichnamiges Buch herausgegeben, welches in mehreren eigenständigen Einzelbeiträgen Zeitzeugeninterviews auswertet. (ISBN-10: 3932502191; ISBN-13: 978-3932502194)

Ende 2008 wurde die Stiftung „Gedenk- und Begegnungsstätte Leistikowstraße Potsdam“ gegründet, die von der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten treuhänderisch verwaltet wird. Stifter ist der Evangelisch-Kirchliche Hilfsverein (EKH), der als Eigentümer das nach 1945 vom sowjetischen Militärgeheimdienst (KGB) genutzte Gebäude sowie den 2008 fertig gestellten Neubau eines Besucherzentrums in die neue Stiftung einbringt.

Zweck der Stiftung ist es laut Satzung, an das im ehemaligen Gefängnis des sowjetischen Militärgeheimdienstes geschehene Unrecht und an die Opfer zu erinnern. Das Haus soll als Gedenk- und Begegnungsstätte für die politische Bildung und die Förderung des demokratischen Staatswesens genutzt werden. Aufgabe der Stiftung ist es darüber hinaus, die Geschichte des Hauses und seine Einbindung in das System der Unterdrückung, vor allem durch die politische Justiz, zu erforschen und die Öffentlichkeit durch Führungen, Ausstellungen, Veranstaltungen und Publikationen zu informieren. Die Treuhandstiftung wird zu je 50 Prozent vom Land Brandenburg und vom Bund finanziert. Nachdem das historische Gebäude bereits saniert wurde, stehen jetzt Mittel des Landes und des Bundes für eine künftige Dauerausstellung bereit.

Quellen

Weblinks

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