Justizzentrum

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Das Justizzentrum,
Sommer 2008
Justizzentrum,
Sommer 2023

Das heutige Justizzentrum im Potsdamer Stadtteil Jägervorstadt befindet sich in der Jägerallee 10 bis 12. Das Gebäude war früher eine Unteroffiziersschule. Zu den architektonisch erwähnenswerten Details in dem denkmalgeschützten Komplex zählen die von Karl Friedrich Schinkel entworfene Treppe und das Archivgebäude.

In dem Gebäude haben das Landgericht Potsdam, das Amtsgericht und das Verfassungsgericht Brandenburg ihren Sitz.

Weitere Gerichtsstandorte sind:

Geschichte

Als der Große Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg in den Jahren 1660 bis 1670 unter anderem die Allee gegen Eichberg anlegen ließ (Eichberg ist der heutige Pfingstberg), wurde an ihrem Ende eine Fasanerie errichtet. Sie diente der Zucht und Pflege von Fasanen, die als Jagdopfer benötigt wurden. Im Jahr 1729 ließ König Friedrich Wilhelm I. das Ensemble in einen Jägerhof umbauen. Neben Aufenthaltsmöglichkeiten mussten auch Räumlichkeiten für die Unterbringung der Jagdutensilien des Hofes eingerichtet werden. Friedrich II. nutzte das Haupthaus hauptsächlich für seine Seidenzucht. Da dies bekanntlich nicht funktionierte, verfiel das kaum genutzte Gebäude zusehends. 1825 erfolgte der Abriss der Überreste für die Neubebauung.

Jägerhof

Unter Friedrich Wilhelm I. wurde am Standort im Jahr 1729 ein Jägerhof errichtet, in den die noch vorhandene alte Fasanerie integriert wurde. Der Jägerhof diente als Start- und Zielpunkt der herrschaftlichen Jagdgesellschaften, wenn sie, die Stadt durch das Jägertor verlassend, über die Jägerallee in das Jagdgebiet aufbrachen.

Bedeutende Änderungen und Erweiterungen erlebte der Standort unter König Friedrich II. Die erste Änderung der Zweckbestimmung bestand darin, dass Friedrich der Große, der kein Interesse an der Parforcejagd hatte, den Jägerhof als Poullarderie (Hühnerzuchtanstalt) und Hundezuchtstätte nutzte. Aus den auf dem Jägerhof gezogenen Windspielhunden wählte er seine Lieblinge, die sich in den königlichen Wohngemächern aufhalten durften, von den Bediensteten französisch angesprochen und gesiezt werden mussten und nach ihrem Ableben in Sarkophagen auf den Schlossterrassen von Sanssouci beigesetzt wurden.

Die zweite Änderung der Zweckbestimmung erlebte der Jägerhof am Ende des Siebenjährigen Krieges (1756 - 1763) vor dem Hintergrund wirtschaftlicher Autarkiebestrebungen. In dem Bemühen, von ausländischen Seidenlieferungen unabhängiger zu werden, förderte Friedrich der Große den Seidenbau. Der Begriff Seidenbau umfasst alle zur gewerblichen Produktion von Seide notwendigen Maßnahmen wie die Aufzucht von Seidenraupen, die Anpflanzung und Pflege der Maulbeerbäume, deren Blätter den Seidenraupen als Nahrung dienen, und die Verarbeitung der Rohseide zu Faden und Gewebe.

Die Liegenschaft Jägerallee 10 - 12 war einerseits geprägt von noch existierenden Baulichkeiten der alten Fasanerie, Federviehzucht, dem Treiben der Hofjäger und dem Durchzug der Jagdgesellschaften inmitten eines substanzbedingt ständig ausbesserungsbedürftigen Jägerhofes sowie der Hundezuchtstation für die vom König geschätzten Windhunde und andererseits den Aufbruch in das Manufakturzeitalter widerspiegelnde Seidenbau.

Militärische Keimzelle des Aufklärungs- und Nachrichtenwesens der preußisch-deutschen Armee

Am 24. November 1740 erging auf Schloss Rheinsberg ein königlicher Aufstellungsbefehl, mit dem König Friedrich Il. für Erkundungs- und Kurierdienste die Aufstellung des Feldjägerkorps zu Pferde und zu Fuß anordnete. Aus der Erstaufstellung sind sowohl das 1756 gegründete reitende Feldjägerkorps als auch das Garde-Jäger-Bataillon hervorgegangen. Die Dringlichkeit des Aufstellungsbefehls erhellt daraus, dass Preußen mobilisiert hatte und am 16. Dezember 1740 den Einmarsch mit einer Armee von 27.000 Mann in Schlesien begann, der den Auftakt für den zweiten großen Waffengang des 18. Jahrhunderts bildete, der später als Österreichischer Erbfolgekrieg bezeichnet wurde. Auf der Liegenschaft des Jägerhofes wurde 1740 die erste preußische Erkundungs- und Aufklärungseinheit, das Garde-Jäger-Bataillon, unter dem Aufseher Schenk aufgestellt, allerdings nicht stationiert.

Unteroffiziersschule

Schinkel-Treppenhaus mit dorischen und ionischen Säulen

Die Unteroffiziersschule wurde in den Jahren von 1826 bis 1828 nach Entwürfen von Karl Friedrich Schinkel und durch den Baumeister Johann Georg Carl Hampel ausgeführt. Den Auftrag dafür gab König Friedrich Wilhelm III.. Es gab zahlreiche Änderungen und in den folgenden Jahrzehnten immer wieder Anbauten, die den Originalentwurf veränderten. Bis heute bewahrt sind die dreigeteilten Fenster am klassizistischen Hauptgebäude, die viel Licht in jeden einzelnen Raum einlassen. Der Komplex wurde bis zum Jahr 2008 zu einem Justizzentrum umgebaut.

Seit dem Jahr 1820 gab es in Potsdam ein Lehr-Infanterie-Bataillon, zu dem ab dem Jahr 1825 eine Schulabteilung gehörte. Hier wurden Jungen aus dem Großen Militär-Waisenhaus und der Militär-Knaben-Erziehungsanstalt in Annaburg als Unteroffiziere ausgebildet. Für sie wurde das große Hauptgebäude an der Jägerallee errichtet, dessen Besonderheit eine Heißluft-Zentralheizung war. An der Stelle des heutigen Verfassungsgerichts befand sich ein Turnplatz zur körperlichen Ertüchtigung der Kadetten.

Ab dem Jahr 1860 befand sich hier die Unteroffiziersschule zu Potsdam. Diese Unteroffiziersschule diente als Mustereinrichtung für den Aufbau weiterer Schulen. Immer wieder wurden hier Kontingente von Offizieren, Unteroffizieren und Unteroffiziersschülern abgezogen, um als Stamm für den Aufbau neuer Unteroffiziersschulen in Preußen zu dienen.

Das Personal wurde mehrfach aufgestockt. Um dem wachsenden Platzbedarf zu begegnen, wurden Anbauten vorgenommen. So zum Beispiel in den Jahren 1909 und 1910, als die Schule ein Wirtschaftsgebäude, ein Familienwohnhaus für sieben verheiratete Unteroffiziere, eine Waffenmeisterei, einen Pferdestall und ein Exerzierhaus erhielt.

Kaserne der Polizei, Reichswehr und Wehrmacht

Aufgrund Artikel 176 des Diktates der Siegermächte des 1. Weltkrieges in Versailles erfolgte im Jahre 1919 die erzwungene Auflösung der Unteroffiziersschule Potsdam. Kurze Zeit später folgte eine polizeiliche Anschlussnutzung. Das Preußische Innenministerium gründete an dieser Stelle eine zentrale Einrichtung für die Ausbildung von Polizeioffizieren. Die Polizeiausbildungsstätte nahm im Mai 1920 ihren Dienstbetrieb auf. Bereits 1921 zogen militärische Verbände der nunmehrigen Reichswehr in die im Volksmund genannte Jägerkaserne ein. Nach Machtergreifung der Nationalsozialisten wurde das in der Jägerallee stationierte Infanterieregiment Nr. 9 am 2. August 1934 im Lustgarten Potsdam auf den neuen Obersten Befehlshaber der Wehrmacht, Adolf Hitler, vereidigt.

Nach 1945

Das Gerichtsarchiv,
Sommer 2023
Die ehemalige Büchsenmacherei,
Sommer 2023

Im Mai 1945 besetzte die Rote Armee die Liegenschaft und richtete in der ehemaligen Jägerkaserne eine militärische Postzentrale ein. Nähere Informationen zur Nutzung sind leider nicht bekannt. Das gesamte Areal war bis 1993 militärisches Sperrgebiet. Spätestens in dieser Zeit wurde aus dem vormaligen Pferdestall (heutiger Saal des Verfassungsgerichts) ein Kasino (Kantine) für die Rotarmisten. Hiervon zeugen Bilder, die kurz vor der Sanierung des Gebäudes gefertigt wurden. Die Säulen im Saal wurden angemalt und wiesen das typische Muster von Birkenbäumen auf (vermutlich in Anlehnung an die Birken in der russischen Heimat).

Nach der Wiedervereinigung und dem Abzug der letzten Rotarmisten im Jahr 1994 folgten viele Jahre des Leerstandes, bevor im Jahr 2004 die Sanierung der gesamten Liegenschaft zum Justizzentrum in drei Bauabschnitten erfolgte.

In den Jahren 2004 bis 2006 wurde das ehemalige Kasino für das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg umgebaut. Im Jahr 2005 wurde eine ehemalige Turnhalle in Neuruppin Stein für Stein abgetragen und das Fachwerkgerüst in Potsdam wieder aufgebaut, die dann als Gerichtsarchiv genutzt wurde. Bis in das Jahr 2008 ist die Staatsanwaltschaft, das Landgericht und die Dienststellen des Amtsgerichtes umgezogen.

Zudem wurde die ehemalige Büchsenmacherei in eine Antragsstelle des Amtsgerichtes und das Exerzierhauses in ein Verwaltungsarchiv umgebaut. Die Einweihung erfolgte am 9.10.2008. Bis dahin wurden 49 Millionen Euro verbaut. Im Justizzentrum arbeiten 500 Mitarbeiter, darunter 80 Richter und 90 Staatsanwälte.


Quellen

  • „Potsdamer Veduten“ – Herausgeber: Staatliche Schlösser und Gärten Potsdam-Sanssouci; 1981; FG 041/15/81 (siehe auch ISBN 3889400817)
  • Dokumentation „Phönix aus der Asche. Das Justizzentrum Potsdam" – Herausgeber: Brandenburgischer Landesbetrieb für Liegenschaften und Bauen, 2. Aufl., Stand Juli 2011
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