Gedenkstätte Lindenstraße

Die Gedenkstätte Lindenstraße befindet sich in der Potsdamer Innenstadt, in der Lindenstraße 54-55 (ehemals Otto-Nuschke-Str. 54). Das Gebäude war ursprünglich ein Stadtgefängnis und wurde zu DDR-Zeiten als Untersuchungshaftanstalt des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) bekannt. Im Volksmund trug es die Bezeichnung Lindenhotel oder Potsdamer Bastille.
Frühgeschichte
In den Jahren 1734-1737 entstand auf dem Grundstück Lindenstraße 54 ein erster Ziegelbau, der von den Zeitgenossen als „Großes Holländisches Haus“ bezeichnet wurde. Mit seinen neun Fensterachsen hob sich das Gebäude deutlich von den im Bereich der zweiten Stadterweiterung üblichen vier, fünf oder sieben Achsen ab.
König Friedrich Wilhelm I. schenkte das Haus 1738 der Stadtkämmerei, die es als Wohnhaus für Offiziere der örtlichen Garnison nutzte. Dadurch erhielt es den Namen Kommandantenhaus. Zeitgenössischen Berichten zufolge galt es nach dem Stadtschloss als eines der vornehmsten Wohngebäude Potsdams. Es verfügte über großzügige Säle, mehrere Stuben und Kammern sowie Wirtschafts- und Stallgebäude im Hinterhof.
Der Kunstführer Dehio beschreibt das Gebäude als „palaisartiges, unverputztes Backsteinhaus von zwei Geschossen, dessen Hauptfassade mehrfach verändert wurde. Der Mittelrisalit ist durch Pilastergliederung und Putzfugung hervorgehoben und mit einem Balkon sowie einem Segmentbogengiebel versehen.“
Im Laufe des 18. Jahrhunderts wurde das Gebäude mehrfach instand gesetzt und in den Jahren 1817–1820, 1852–1854 sowie 1907–1909 grundlegend umgebaut, wodurch sich sein ursprüngliches Erscheinungsbild stark veränderte.
Nutzung als Gerichts- und Haftanstalt

1817 zog das Potsdamer Stadtgericht in das Gebäude ein. Zuvor hatte es von 1809 bis 1817 als vorläufiger Tagungsort der ersten gewählten Potsdamer Stadtverordnetenversammlung gedient. Das Stadtgericht ließ auf dem Grundstück eine Haftanstalt errichten; 1909 entstand im Hof ein neuer Gefängnisanbau.
Zeit des Nationalsozialismus


Von 1934 bis 1944 tagte im Haus das „Erbgesundheitsgericht Potsdam“, das zahlreiche Menschen mit Behinderung zur Zwangssterilisierung verurteilte. Seit 1941 war hier zudem der 5. Senat des berüchtigten Volksgerichtshofes untergebracht. Politisch Andersdenkende und Widerstandskämpfer wurden in der Haftanstalt inhaftiert, verhört und gefoltert. Die Todesurteile wurden im Zuchthaus Brandenburg vollstreckt.
Sowjetische Besatzungszeit und DDR

Ab Juli 1945 nutzten das sowjetische Militärtribunal und das Volkskommissariat für Innere Angelegenheiten (NKWD) das Gebäude. 1952 übergab die Sowjetunion die Liegenschaft an das Ministerium für Staatssicherheit (MfS). Sie diente fortan als Standort für die Untersuchungsabteilung (Abteilung X) und als Untersuchungshaftanstalt (Abteilung XIV) der Bezirksverwaltung für die Staatssicherheit Potsdam.
Nach 1990
Nach der Auflösung des MfS nutzte ab Sommer 1990 die Untere Denkmalbehörde der Stadt Potsdam das Vorderhaus als Verwaltungsgebäude und den Zellentrakt zur Aufbewahrung von Asservaten. Das Gebäude wurde stark überformt. Mitte der 1990er Jahre stand eine Umnutzung oder sogar der Abriss des gesamten Areals zur Diskussion. Daraufhin gründete der Mitbegründer des Neuen Forums, Rudolf Tschäpe, gemeinsam mit Gleichgesinnten die „Fördergemeinschaft Lindenstraße 54". Ziel des Vereins war es, den historischen Gerichts- und Haftkomplex zu erhalten und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
Auf Initiative der Fördergemeinschaft beschloss die Potsdamer Stadtverordnetenversammlung am 4. Oktober 1995, die Lindenstraße 54/55 als Gedenkstätte zu erhalten und in die Trägerschaft des Potsdam Museums zu überführen.
Entwicklung zur Stiftung
2005 legte das Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam (ZZF) ein Memorandum zur Weiterentwicklung der Gedenkstätte vor. Mit dem Auszug der Unteren Denkmalbehörde 2007 standen erstmals alle Gebäudeteile – einschließlich Vorderhaus und Zellentrakt – für die museale Nutzung zur Verfügung.
Zur Vorbereitung der Überführung in eine rechtsfähige Stiftung wurde die Gedenkstätte 2012 aus dem Potsdam Museum ausgegliedert und dem Geschäftsbereich des Oberbürgermeisters zugeordnet. Die Stiftung Gedenkstätte Lindenstraße wurde Ende 2015 gegründet und nahm im Sommer 2016 ihre Arbeit auf.
Weitere Bilder
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Gefängniszelle
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Freigangbereich
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Folterzelle mit ehemaligem Häftling
Quellen
- Mielke, Friedrich „Potsdamer Baukunst", Propyläen Verlag, 1. Auflage 1981, S. 27-30
- Dehio Brandenburg, 2012, S. 833
Weblinks
- Potsdam Museum - Gedenkstätte Lindenstraße 54/55 .. – Seite bei Potsdam.de
- Stiftung Gedenkstätte Lindenstraße 54/55 - Webseite
- Fördergemeinschaft „Lindenstraße 54"- Webseite
- Eintrag in der Denkmaldatenbank des Landes Brandenburg